Menschenrechte

1. Menschenrechte: Nationale Ziele und Entwicklungen

Im Einklang mit dem Ziel, die Menschenrechte zu wahren und weiterzuentwickeln, wurden in Türkiye seit Anfang der 2000er Jahre umfassende Reformen zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und zur Gewährleistung der uneingeschränkten Respektierung der Grundrechte und -freiheiten durchgeführt.

Die Reformstrategie zur Schaffung der dafür notwendigen Rahmenbedingungen hat drei wesentliche Dimensionen: Dazu gehören der Beitritt zu internationalen Menschenrechtsverträgen, die Durchführung der notwendigen Gesetzesänderungen und der Maßnahmen, die die Umsetzung der Reformen in die Praxis in vollem Umfang ermöglichen.

In diesem Prozess wurde unsere Gesetzgebung durch zahlreiche Gesetzes- und Verfassungsänderungen seit 2001 im Einklang mit der Stärkung der demokratischen Rechte und Grundfreiheiten unserer Bürger verbessert, wobei die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie die Menschenrechtskonventionen des Europarats und der Vereinten Nationen (UN), denen wir beigetreten sind, die Dokumente der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Besitzstand der Europäischen Union (EU) berücksichtigt wurden.

Mit der Änderung des Artikels 90 der Verfassung wurde die Regelung eingeführt, dass, wenn die nationalen Gesetze über Grundrechte und -freiheiten von den Bestimmungen internationaler Menschenrechtsabkommen abweichen, die Bestimmungen internationaler Abkommen Gültigkeit haben werden.

Das Individualbeschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgericht, das eingeführt wurde, um einen besseren Schutz der Rechte und Freiheiten des Bürgers zu gewährleisten und die Umsetzung der EMRK-Bestimmungen effektiver zu gestalten, trat am 23. September 2012 in Kraft.

Die Menschenrechts- und Gleichstellungsinstitution von Türkiye und die Ombudsmann-Institution tragen seit 2012 ebenfalls mit ihren Aktivitäten zur Stärkung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in Türkiye bei.

Der von der Fetullahistischen Terrororganisation (FETÖ) am 15. Juli 2016 durchgeführte terroristische Putschversuch zielte auf unsere demokratisch rechtmäßige Regierung und verfassungsmäßige Ordnung ab und verletzte die Grundrechte und -freiheiten unserer Bürger, insbesondere das Recht auf Leben. Um die Bedrohungen für die Existenz unseres Landes und der demokratischen Rechte unseres Volkes vollständig zu beseitigen, wurde am 21. Juli 2016 landesweit der Ausnahmezustand verhängt, der am 19. Juli 2018 wieder aufgehoben wurde.

Nach der Aufhebung des Ausnahmezustands standen die Reformbemühungen wieder ganz oben auf unserer Agenda. In diesem Zusammenhang trat die Reform-Aktionsgruppe (RAG) nach einer Pause von etwa drei Jahren wieder zusammen.

Bei den Reformbemühungen wird dem effizienten und zügigen Funktionieren des Justizwesens und den Fortschritten im Bereich der Grundrechte und -freiheiten Priorität eingeräumt.

Die neue Strategie für die Justizreform wurde von unserem Präsidenten am 30. Mai 2019 angekündigt. Bei der Ausarbeitung der Strategie wurden auch die Ansichten des Europarats und der EU eingeholt. Dabei wurden die Standards und Normen des Europarats, der UN, der OSZE und der EU berücksichtigt.

Das Justizpaket (Gesetz Nr. 7188 zur Änderung des Strafprozessordnung und einiger Gesetze), das die ersten gesetzlichen Regelungen im Rahmen der Umsetzung der Strategie enthält, wurde am 24. Oktober 2019 im Amtsblatt veröffentlicht und trat in Kraft. Die Vorbereitungen für das zweite Justizpaket dauern noch an.

Darüber hinaus arbeitet das Justizministerium derzeit an einem Entwurf des Aktionsplans für Menschenrechte, der in Absprache mit nationalen Akteuren sowie mit dem Europarat und der EU erstellt wird.

Im Rahmen des Mechanismus der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung (UPR) der Vereinten Nationen, womit der Menschenrechtsstatus aller UN-Mitgliedsstaaten alle fünf Jahre von anderen Staaten im Rahmen des UN-Menschenrechtsrats überprüft werden, fand die dritte regelmäßige Überprüfung von Türkiye im Januar 2020 in Genf statt. Unser nationaler Bericht, der im Rahmen unserer Studie erstellt wurde und in dem die Entwicklungen in allen Bereichen der Menschenrechte in den letzten fünf Jahren in unserem Land dargelegt werden, kann über den unten aufgeführten Link (in Türkisch) abgerufen werden.

http://www.mfa.gov.tr/ulkeyiz-birlesmis-millenler-evrensel-periyodik-inceleme-mekanizmasi-cercevesinde-ucuncu-tur-incelenen-icin-hazirlanan-rapor.tr.mfa

2. Zusammenarbeit mit internationalen Menschenrechtsmechanismen:

Die konstruktive Zusammenarbeit von Türkiye mit dem Europarat, den Vereinten Nationen und den OSZE-Mechanismen im Bereich der Menschenrechte wird ununterbrochen und entschlossen fortgesetzt.

A-Europarat (CoE)

Der umfassende Reformprozess in unserem Land, der seit Ende der 1990er Jahre an Dynamik gewann, wirkte sich unmittelbar auf unsere Beziehungen zum Europarat aus. In unserem Land wurden umfassende Verfassungsänderungen und Reformpakete verabschiedet sowie Änderungen im Zivil- und Strafrecht vorgenommen. In diesem Zusammenhang wurden in Zusammenarbeit mit dem Europarat, insbesondere bei der Abschaffung der Todesstrafe, der Bekämpfung der Folter, der Reform der Gefängnisse und Haftanstalten, der Gedanken- und Meinungsfreiheit, der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, der Religionsfreiheit, der Funktionsweise der Justiz, den Beziehungen zwischen Zivilsphäre und Militär, den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten und der Korruptionsbekämpfung beträchtliche Fortschritte erzielt, die unsere Stellung im Europarat stärkten.

Die Beziehungen von Türkiye zum Europarat haben in den 2000er Jahren ihren Höhepunkt erreicht. Türkiye hatte von November 2010 bis Mai 2011 den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates inne. Die Bedeutung, die Türkiye der Organisation beimisst, wurde durch Besuche auf höchster Ebene unter Beweis gestellt. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu war von 2010 bis 2012 Vorsitzender der PACE. Damit wurde zum ersten Mal in der Geschichte der PACE ein türkischer Staatsbürger Vorsitzender der PACE. Sowohl während unseres Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates als auch während des Vorsitzes unseres Ministers in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) hat Türkiye einen bedeutenden Beitrag zur Stärkung der politischen Rolle, der Sichtbarkeit und der Wirksamkeit des Europarates geleistet.

Türkiye ist derzeit Vertragspartei von 120 der 225 Konventionen des Europarats und hat 30 davon unterzeichnet. Unter den 47 Ländern des Europarates steht Türkiye an fünfzehnter Stelle, was die Anzahl der Übereinkommen und Protokolle des Europarates betrifft, denen sie beigetreten ist, und liegt damit vor vielen EU-Mitgliedstaaten.

Abgesehen vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) arbeitet Türkiye mit den Kontroll- und Menschenrechtsmechanismen des Europarats, die viele verschiedene Bereiche wie die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung, die Verhinderung von Folter und Misshandlung, die Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche und Gewalt gegen Frauen und Terrorismus betreffen, eng zusammen. In diesem Rahmen wird die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter (EGMR), der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und dem Menschenrechtskommissar des Europarats fortgesetzt und die Empfehlungen der genannten Mechanismen und die von ihnen veröffentlichten Dokumente werden berücksichtigt.

Nach dem Putschversuch vom 15. Juli wurde die Zusammenarbeit mit dem Europarat ununterbrochen fortgesetzt. Zu dieser Zeit war Thorbjorn Jagland, damals Generalsekretär des Europarats, die erste internationale Persönlichkeit, die Türkiye besuchte.

Andererseits wird im Rahmen von Projekten, die in Zusammenarbeit mit dem Europarat durchgeführt werden, ein breites Spektrum an Informations-, Sensibilisierungs- und Schulungsaktivitäten mit Ministerien, einschließlich hoher Justizbehörden, öffentlichen Bediensteten, Nichtregierungsorganisationen, Studenten, Einzelpersonen und der breiten Öffentlichkeit zu relevanten Themen realisiert.

Beziehungen zwischen Türkiye und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Eine wichtige Dimension der Zusammenarbeit unseres Landes mit dem Europarat stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dar. Türkiye hat 1987 das Recht auf Individualbeschwerde hinsichtlich des Überprüfungsverfahrens der 1953 in Kraft getretenen Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und 1990 die obligatorische Zuständigkeit des EGMR anerkannt.

Gemäß Artikel 90 der türkischen Verfassung haben internationale Abkommen, die ordnungsgemäß in Kraft gesetzt wurden, Gesetzeskraft und ihnen kann keine Verfassungswidrigkeit entgegengehalten werden, darüber hinaus haben die Bestimmungen der internationalen Abkommen im Falle eines Konflikts aufgrund unterschiedlicher Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten Vorrang vor unseren Gesetzen.

Das Verfassungsgericht hat auch in seinem Urteil vom 7. Februar 2008 entschieden, dass die EMRK im Rahmen des Artikels 90 unserer Verfassung Teil unseres innerstaatlichen Rechts geworden ist und, dass die Bestimmungen der Konvention Gesetzeskraft haben und dass die Urteile des EGMR verbindlich sind.

In diesem Rahmen haben die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR in der türkischen Rechtsordnung, die durch die sich ständig ändernden und weiterentwickelnden internationalen Menschenrechtsnormen eine dynamische Struktur gewonnen hat, ebenfalls ihren Platz unter den Quellen unseres Rechtssystems eingenommen.

Darüber hinaus wurde im Rahmen der durch eine Volksabstimmung im Jahr 2010 angenommenen Verfassungsänderungen das Recht auf Individualbeschwerde beim Verfassungsgericht angenommen, um die Zahl der Klagen gegen unser Land vor dem EGMR zu reduzieren und die Probleme im innerstaatlichen Recht zu lösen. Seit dem Inkrafttreten der diesbezüglichen gesetzlichen Regelung am 23. September 2012 hat jeder die Möglichkeit, sich an das Verfassungsgericht zu wenden und darüber Beschwerde einzureichen, dass seine Grundrechte und –freiheiten, im Rahmen der EMRK und der Protokolle, denen Türkiye beigetreten ist, durch die öffentliche Gewalt verletzt wurde.

Gemäß dem am 1. März 2012 in Kraft getretenen "Kooperationsprotokoll " zwischen dem Justizministerium und dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, wird die Weiterverfolgung der beim EGMR eingereichten Anträge, die sich aus innerstaatlichen Rechtsfragen ergeben, und die Vollstreckung der über diese Anträge ergangenen Urteile vom Justizministerium verfolgt. Andererseits werden die Anträge, die der Regierung vor dem Inkrafttreten des Protokolls übermittelt wurden, oder Anträge und die Vollstreckung von Urteilen, die die Außenpolitik und die internationalen Beziehungen von Türkiye betreffen, vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten weiterverfolgt.

B) Menschenrechtsmechanismen der Vereinten Nationen (UN)

Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte", die 1948 als "Verfassung der Menschenrechte" angenommen wurde, definiert die persönlichen Rechte und Freiheiten, mit denen der Mensch geboren wird und erklärt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass niemand gefoltert, misshandelt oder erniedrigt werden darf. Die Erklärung dient nach wie vor als Leitfaden für die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern. Der Tag, an dem sie 1948 verabschiedet wurde, der 10. Dezember, wird jedes Jahr als "Tag der Menschenrechte" gefeiert.

Türkiye, die die Menschenrechte aus einer umfassenden Perspektive betrachtet und die Achtung der Menschenwürde zu einem Bestandteil ihrer außenpolitischen Prioritäten macht, misst dem Besitzstand der Vereinten Nationen (UN) im Bereich der Menschenrechte und ihrer Zusammenarbeit mit der genannten Organisation im Bereich der Menschenrechte besondere Bedeutung bei. Türkiye nimmt aktiv an den Sitzungen des UN-Menschenrechtsrats teil, die dreimal im Jahr in Genf stattfinden und auf denen Menschenrechtsfragen erörtert werden.

Türkiye ist Vertragspartei der 16 grundlegenden Menschenrechtskonventionen der UN. Die Einhaltung der UN-Konventionen durch die Vertragsstaaten wird von den zuständigen Ausschüssen (Vertragsmechanismen) überprüft.

Die Vereinten Nationen verfügen auch über außervertragliche Mechanismen, die als UN-Sonderprozesse bekannt sind (Sonderberichterstatter, Sonderbeauftragte, Arbeitsgruppen), die die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsnormen in verschiedenen Bereichen überwachen und Empfehlungen dazu abgeben. Seit 2001 ist Türkiye eines der Länder, die offene Einladungen zu Sonderverfahren aussprechen. In diesem Rahmen wird Türkiye von Sonderberichterstattern und -beauftragten besucht.

Andererseits ist im Zuge der Bemühungen unseres Landes, Istanbul zu einem UN-Zentrum zu machen, und der Bedeutung, die den Frauenrechten beigemessen wird, seit 2014 das neue Regionalbüro für Europa und Zentralasien der UN-Einheit für die Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen (UN Frauen) in Istanbul vertreten.

C) Die menschliche Dimension der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE):

Die OSZE ist im wesentlichen ein regionales Sicherheitsforum, aber sie ist auch eine Organisation, die die Bemühungen der Teilnehmerstaaten in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung der Menschenrechte unterstützt.

Zusätzlich zu den Sitzungen des Ständigen Rates und des Ministerrats veranstaltet die OSZE jedes Jahr das Implementierungstreffen zur menschlichen Dimension (HDIM) in Warschau und drei zusätzliche Implementierungstreffen zur menschlichen Dimension (SHDM) nach dem Ermessen des amtierenden Vorsitzes.

Die OSZE verfügt über drei Fachgremien, die dazu eingerichtet wurden, um die Teilnehmerstaaten bei der Umsetzung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen zu unterstützen. Dies sind das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), der Hohe Kommissar für nationale Minderheiten (HCNM) und der Beauftragte für Medienfreiheit (RFOM).

Im Rahmen der Aktivitäten der humanitären Dimension der OSZE bringt Türkiye seine Sensibilität und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in Bezug auf Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Intoleranz und Diskriminierung bei der OSZE zum Ausdruck.

In diesem Zusammenhang wird auch die Arbeit der Sonderbeauftragten unterstützt, die seit 2004 vom amtierenden OSZE-Vorsitz im Bereich der Bekämpfung religiöser Diskriminierung ernannt wurden (Sonderbeauftragter für die Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Muslimen; Sonderbeauftragter für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, auch gegenüber Christen und Angehörigen anderer Religionen; Sonderbeauftragter für die Bekämpfung von Diskriminierung gegenüber Juden und Antisemitismus)

Seit dem 9. Januar 2019 ist Botschafter Mehmet Paçacı Sonderbeauftragter für die Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung von Muslimen. Zu seinen Aufgaben gehören die genaue Beobachtung von Intoleranz und Diskriminierung von Muslimen in der OSZE-Region, die Koordinierung der Bemühungen in diesem Bereich, die Zusammenarbeit mit dem amtierenden OSZE-Vorsitz, OSZE-Institutionen, einschlägigen internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, die Organisation von Besuchen in OSZE-Ländern und die Erstellung von Berichten.