[Die inoffizielle deutsche Übersetzung der originalen türkischen
Rede]
Herr Präsident, sehr geehrte Minister, sehr geehrte Vertreter, heute haben
wir uns unter diesem Dach versammelt, das als „Parlament des Gewissens der
Menschheit" errichtet wurde, um einer wachsenden Bedrohung für uns alle zu
begegnen und eine gemeinsame Haltung gegen diese gemeinsame Bedrohung
einzunehmen.
Heute vereint uns die Generalversammlung der Vereinten Nationen um die
Heiligkeit des menschlichen Lebens, das unser grundlegendes Gut ist. Dieses
grundlegende Gut steht jedoch unter dem offenen Angriff von Terroristen und
Terrorismus. Am 15. März wurden in Christchurch, Neuseeland, 51 Muslime,
die dort beteten, ermordet und viele weitere von einem faschistischen und
barbarischen Terroristen verletzt. Dieser wies einen sehr organisierten
Sinn und Planung vor und zielte im Wesentlichen auf die gemeinsamen Werte
der Menschheit ab.
Heute bekunden wir hier eine sehr bedeutsame Solidarität, um diesen islam-
und menschenfeindlichen Anschlag zu verurteilen und der Opfer dieses
Angriffs zu gedenken. Heute halten wir den Terroristen stand und geben der
Welt folgende Botschaft: Ihr werdet in der Spirale aus Hass, Angst und
Gewalt, die ihr zu schüren versucht, untergehen und niemals Erfolg haben.
Hier unter dem Dach der Generalversammlung der Vereinten Nationen ist die
Bekundung dieser Entschlossenheit durch die Vertreter jedes Glaubens, jeder
Region, jeder Rasse und Nationalität die bedeutsamste Antwort auf eure
schmutzigen Ideologien und abscheulichen Angriffe.
Sehr verehrte Vertreter, im Namen des türkischen Volkes möchte ich den
Familien der unschuldigen Menschen, die in ihren heiligen Gotteshäusern
brutal ermordet wurden, mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Auch möchte
ich der Regierung und dem neuseeländischen Volk nochmals unser Beileid
übermitteln. Unmittelbar nach den Terroranschlägen hat unser Präsident
Recep Tayyip Erdoğan unseren Vizepräsidenten und mich beauftragt,
Neuseeland zu besuchen, um unsere Solidarität zu bekunden. Unter der
Führung von Ministerpräsidentin Ardern und ihrer Regierung haben wir selbst
die starke Haltung und Würde des neuseeländischen Volkes und auch die Art
und Weise, wie es die in ihrem Land lebende muslimische Gemeinschaft
umarmte, erlebt.
Wie Ihnen allen bekannt ist, ist die Türkiye ein Land, das seit Jahren mit
größter Entschlossenheit gegen alle Formen des Terrorismus auf nationaler
und globaler Ebene kämpft. Heute führen wir einen unerbittlichen und
entschlossenen Kampf gegen DAESH und PKK-PYD-YPG sowie DHKP-C und FETÖ
gleichzeitig. Die Verstärkung der Bemühungen im Kampf gegen den Terror auf
globaler Ebene wird stets eine der obersten Prioritäten der Türkiye bleiben.
Mit diesem Verständnis haben wir als Vorsitzender des Gipfels der
Organisation für Islamische Zusammenarbeit am 22. März eine
Dringlichkeitssitzung des Exekutivkomitees der Organisation für Islamische
Zusammenarbeit in Istanbul organisiert. Wie wir auch im gemeinsamen
Kommuniqué der Sitzung betont haben, können unabhängig von ihrer
Motivation, wo und von wem sie begangen werden und auf wen auch immer sie
abzielen, keine Terrorakte entschuldigt oder gerechtfertigt werden. Die
Tragödie des Anschlags von Christchurch hat der Welt gezeigt, dass
Intoleranz, Rassismus, Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit die gesamte
Menschheit viel stärker bedrohen als erwartet. Diese Tatsachen hängen
zweifellos zusammen. Islamfeindlichkeit und Rassismus sind oft miteinander
verflochten. Die rassistische, fremden- und islamfeindliche Rhetorik und
Gewalt dürfen nicht länger ignoriert werden. Die internationale
Gemeinschaft, einschließlich der Generalversammlung der Vereinten Nationen,
kann nicht als von dieser Verantwortung ausgenommen angesehen werden. Die
gemeinsame Stimme der Menschheit gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
muss gehört werden. Deshalb müssen wir genau hier und jetzt eine globale
Mobilisierung ausrufen, die betont, dass wir als Teil der Menschheit
vereint sind, einschließlich Einwanderer, Minderheiten und alle Gläubigen.
Es sollte verkündet werden, dass niemals Toleranz gegenüber irgendeiner
Form von Rassismus gezeigt wird, einschließlich der Islamfeindlichkeit,
Antisemitismus sowie Christenfeindlichkeit. Wir dürfen nicht vergessen,
dass in einer Welt, in der auch nur eine Person nicht sicher ist, keiner
von uns sicher sein kann. Wir sollten das Thema aus diesem Blickwinkel
angehen und bedenken, dass wir gemeinsamen Bedrohungen nur begegnen können,
wenn wir ein gemeinsames Bewusstsein und eine gemeinsame Entschlossenheit
zeigen.
Sehr geehrte Ministerinnen und Minister, hoch geschätzte Vertreterinnen und
Vertreter, egal wo auf der Welt basiert der Radikalisierungsprozess, der
den Terror sowie die Terrorakte nährt, auf illusorischen und verzerrten
historischen Erzählungen und giftigen Verschwörungstheorien.
Es sollte nicht außer Betracht gelassen werden, dass rücksichtslose
Politiker und Medien, die darauf bestehen, den Islam als Terrorismus zu
definieren, zu diesen Faktoren gehören, die diesen Terroranschlag nähren.
Im Rahmen dieser Plattform leugnen und verurteilen wir noch einmal solche
unverschämten, ungerechten und absichtlichen Ansätze, die versuchen, unsere
erhabene Religion Islam, welcher selbst Frieden bedeutet, und Terrorismus
Seite an Seite darzustellen.
Wir alle müssen die Begriffe wie islamischer Terrorismus, christlicher
Terrorismus, jüdischer beziehungsweise buddhistischer Terrorismus ablehnen.
Der Terror hat keine Religion, keine Sprache, keine Rasse, keine
Nationalität. Der Terror ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es
ist die gemeinsame Verantwortung der Politik und Medien, diese Wahrheit
nachzuvollziehen und sie zu einem gemeinsamen Verständnis für alle zu
führen. Es ist die höchste Zeit, wirksame Maßnahmen gegen zunehmende
Ungerechtigkeit, Vorurteile, Diskriminierung, Intoleranz, Hassverbrechen
und Hassreden zu ergreifen. Wir dürften und sollten nicht zulassen, dass
diese abscheulichen Tendenzen unsere Gesellschaften vergiften und zur
Gewalt führen. In diesem Sinne müssen wir unsere bestehende Gesetzgebung
wirksam anwenden und neue gesetzliche Regelungen entwickeln. Es ist eine
absolute Notwendigkeit, alle Bestandteile der Gesellschaft,
Meinungsbildner, Spitzenpolitiker, Medien und Akteure der digitalen Medien
zu mobilisieren. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die die
Terrorakte anfachen, verüben, finanzieren und unterstützen, zur
Rechenschaft gezogen werden. In diesem Zusammenhang ist es von vitaler
Bedeutung, die Hassverbrechen zu überwachen, dokumentieren und melden.
Verehrte Vertreterinnen und Vertreter, sehr geschätzte Ministerinnen und
Minister. Unsere Welt erlebt eine seltene Periode der Unsicherheit und des
Wandels, die Konflikte werden immer komplizierter. Frieden zu Hause und
Frieden in der Welt sind in allen Ländern immer noch miteinander verbunden.
Bei den Bedrohungen des Friedens ein Auge zu zudrücken und nicht alle
Mittel der UN-Generalversammlung zu nutzen wären die schlechteste Antwort,
die wir gegen die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, geben
könnten. Genau aus diesem Grund sind wir zusammengekommen, um die von uns
gemeinsam eingereichte Resolution mit der Nummer A-73/L-79 und mit dem
Titel „Bekämpfung von Terrorismus und anderen Gewalttaten aufgrund Religion
und Glaube“ zu verabschieden. Diese Resolution wird der internationalen
Gemeinschaft die folgenden Botschaften vermitteln: Jede Art von
Diskriminierung und Terrorismus ist eine globale Bedrohung. Wir verfügen
über ein einheitliches, konsequentes und klares Gerechtigkeitsprinzip ohne
Doppelmoral und Mehrdeutigkeit. Wir betrachten Islamfeindlichkeit,
Antisemitismus und Christenfeindlichkeit als Verbrechen gegen die
Menschheit. Wir verurteilen entschlossen alle Arten von Diskriminierung und
Terrorismus. Wir verpflichten uns, unsere Kräfte zu bündeln, ohne in
Pessimismus zu versinken. Diese Versammlung und die Annahme dieser
Resolution wird ein Meilenstein und ein Wendepunkt für die internationale
Gemeinschaft sein und einen grundlegenden Fahrplan für alle darstellen. Für
seinen zutreffenden Appell an die UN-Allianz der Zivilisationen und an den
Hochkommissar, einen Aktionsplan zur Verhinderung von Angriffen auf
religiöse Stätten und zur Bewahrung der Heiligkeit dieser Stätten zu
entwickeln, möchte ich Herrn Guterres, dem Generalsekretär danken. Als
einer der Gründer wissen wir sehr gut, welches Potenzial diese Initiative
innehat.
Bevor ich meine Rede zum Abschluss bringe, möchte ich mich bei Frau
Espinoza, der Präsidentin der Generalversammlung, und ihrem
Vizepräsidenten, Botschafter Al-Thani, der heute hier bei uns ist, sowie
den Mitgliedsstaaten für ihre kräftige Unterstützung und Solidarität
herzlich bedanken. Ich fordere die Generalversammlung auf, unsere
gemeinsame Entschlossenheit im Kampf gegen alle Vorurteile,
Diskriminierungen, Intoleranz, Gewalt, Hass, Rassismus und Terror auf der
ganzen Welt nachdrücklich zu bekräftigen. Ich möchte meine Rede mit der
Erinnerung der Einladung von Mevlana Dschalal ad-Din Muhammad Rumi
abschließen, der vor 800 Jahre in Anatolien lebte und mit seinen
Botschaften alle Menschen umarmte.
Hört mit Ohren der Toleranz,
Seht mit Augen des Mitgefühls,
Sprecht die Sprache der Liebe...
Ich danke Ihnen sehr.